Im Krankenhaus mit Raah aus Syrien

von Ralf Lesjak

Bei einem Krankenhausaufenthalt im Universitäts Klinikum Göttingen habe ich 4 Tage mit einem syrischen Flüchtling in einem Zweibettzimmer verbracht. Vom Pflegepersonal wurde ich in das Zweibettzimmer gebracht und bekam lediglich die Information, dass er nur arabisch spräche. Nun waren wir erst einmal allein. Wir lächelten uns an. Ich sprach ihn auf Englisch und Deutsch an und versuchte über Gesten, meinen Namen zu vermitteln. Er tat das gleiche auf arabisch. Wir verstanden nichts und mussten lachen. Nun schrieb ich meinen Namen auf Papier, er seinen auf Arabisch. Erst als er mir seinen Pass zeigte, wusste ich, dass er Raah heißt und 32 Jahre alt ist. So kommunizierte ich auf englisch und deutsch mit Gesten und Rhaa auf arabisch mit Gesten. Ich erfuhr, dass er aus Duma in der Nähe von Damaskus mit seiner Frau und drei Kindern vor kurzem geflohen war. Er deutete russische Bombenangriffe an, welche sein Wohnhaus und seinen Frisörsalon, den er seit 18 Jahren betrieb, zerstört hätten. Duma, ein Vorort von Damaskus, ist einer der am härtesten umkämpften Regionen Syriens und inzwischen nahezu vollständig zerstört.

Da wir wir beide ein Smartphone hatten, richtete ich bei ihm das WLAN ein, damit er mit seiner Verwandschaft in Bremen kommunizieren konnte. So erfuhr ich, dass er angeschossen wurde und auf seiner beschwerlichen Flucht eine halbseitige Gesichtslähmung und eine starke Bronchitis davongetragen hatte. Er war über Hannover nach Wollershausen und danach über Friedland ins Krankenhaus gebracht worden. Bei der Aufnahme half ein arabischer Übersetzer, danach musste er allein zurechtkommen, da für das Pflegepersonal und die Ärzte keine Zeit bleibt, um Sprachbarrieren zu überwinden.

Durch moderne Apps , wie „google translate“  ist es möglich ins Telefon zu sprechen und eine arabische Übersetzung zu erhalten. So war es uns möglich, uns auszutauschen. Wir saßen oft beim Essen zusammen und sprachen in unsere Handys. So eine Übersetzung ist selten perfekt und führt daher oft zu Heiterkeit. Aber auch das ist Kommunikation.

Zum Ende der Woche ging es Raah besser, so dass er entlassen wurde. Spontan umarmten wir uns bei der Entlassung. Ich bin inzwischen auch wieder zu Hause und hoffe, dass es ihm und seiner Familie gut geht. Für mich hat sich gezeigt, dass auch ohne die gleiche Sprache Kommunikation und menschliche Nähe möglich ist.

Schenke eine Lächeln und du wirst eins zurückbekommen.

„Man fühlt sich so nützlich“: Deutschunterricht für Flüchtlinge mit RoBiNet

von Ruth Finckh

„Warum sprecht ihr das R am Ende von Worten wie A aus? Was bedeutet ‚Gemütlichkeit‘? Ist eine Socke das gleiche wie ein Strumpf?“ Mit diesen und ähnlichen Fragen beschäftigen sich in diesen Tagen zahllose freiwillige Deutschlehrer in Rosdorf und anderswo, wenn sie Flüchtlinge mit den ersten Worten unserer Sprache vertraut machen. Manchmal ist dieser improvisierte Unterricht anstrengend, wenn man zehn oder mehr lernbegierigen Schülern gleichzeitig Antworten geben soll. Manchmal ist er interessant, wenn man zum Beispiel plötzlich Ähnlichkeiten zwischen afghanischen Dialekten und dem Deutschen entdeckt. Und oft ist es lustig und anrührend, wenn etwa junge Syrer strahlend ihren ersten deutschen Satz formulieren: „Ich mag dich!“.

Das Rosdorfer Bildungs-Netzwerk bietet, wie andere Gruppen auch, Deutschunterricht für die Flüchtlinge in den Gebäuden der Anne-Frank-Schule an. Anfangs war es nicht leicht, wirklich geeignetes Arbeitsmaterial für unsere spontanen Unterrichtsstunden aufzutreiben, die im Aufenthaltsraum der AFS und im Spielcafé „Laterna Magica“ stattfinden. Denn durch den häufigen Wechsel und den unterschiedlichen Wissensstand der Flüchtlinge kann man keinen systematischen Lehrplan entwickeln. Man braucht einzelne Übungsblätter, die unabhängig voneinander eingesetzt werden können. Inzwischen haben wir eine Reihe von erprobten Materialien zusammengestellt und sie auf unserer Homepage www.robinet-rosdorf.de unter „Help for refugees“ eingestellt.

Außerdem brauchten wir Unterstützung bei der Herstellung von Kopien und beim Beschaffen von Kugelschreibern – nur, wenn alles Nötige bereitliegt, kann spontaner Deutschunterricht funktionieren. Hierfür danken wir ganz herzlich Sören Steinberg und seinem Büro, Ulf Himme (Ergo-Versicherung), dem Team des Copyshops DDZ sowie Matthias Jacobs (REWE). Magda Zynda danken wir für ihre Toleranz und Gastfreundschaft während des Herbstferienprogramms.

Auch weiterhin würden wir uns sehr über kleine Kopier-Kontingente und Kugelschreiber freuen. Besonders willkommen wären aber weitere „Mitstreiter“, die uns beim Erteilen des Deutschunterrichts unterstützen. Anders als bei regulären Sprachkursen ist weder eine besondere Vorbildung erforderlich noch eine längerfristige Verpflichtung: RoBiNet stellt das Material bereit und freut sich über jeden, der mit anpackt!

Wir treffen uns mittwochs 15.30-18.00 im Spielcafé „Laterna Magica“ in der Heinrich-Grupe-Schule und sonntags von 15-17 Uhr auf dem Gelände der Anne-Frank-Schule (bei kaltem Wetter im Aufenthaltsraum). Neben dem Unterricht wird jeweils ein Spielangebot für Kinder gemacht; auch die Flüchtlings-Frauen-Handarbeitsgruppe leistet uns mittwochs Gesellschaft.

Wir sind jederzeit über unsere Homepage zu erreichen und freuen uns auf weitere Unterstützer, die mit uns die Erfahrung einer 17-jährigen Spontan-Deutschlehrerin aus unserem Kreis teilen möchten: „Man fühlt sich so nützlich!“

Zuhal und LucinaDeutschunterricht Okt 15b